Gabriele Fichtl †

installation

Crino (2004)
Stickerei/Leinwand
4-tlg., 60 x 100 cm



krino (griech. beurteilen, unterscheiden, verurteilen, anklagen) Stickbewegungen durchstoßen das schuldlose Weiß der Leinwand, durchbrechen die Grenze, grenzen ab, markieren. Es entstehen vier mit rotem Garn bestickte Leinwände, die formal und inhaltlich auf die systemisch miteinander vernetzten Bedingungen für das Entstehen menschlicher Gewalt verweisen: Crisis: individuelle, gesellschaftliche und/oder politische Instabilitäten als Ausgangsbasis Crime: Opfer werden gesucht, - und gefunden: subtil, selten zufällig, oft auffällig Criticism: Provokation und Hass regen sich, als Verfehlung definierte Handlungen fungieren als Projektionsflächen Discrimination: Vorverurteilungen. Stets ist menschliche Sprache im Einsatz und weist grundlegend die Richtung auf dem schmalen Pfad.

Brain Train (2001)
Ton, Metall
LGB-Eisenbahnschienen
biografische Fotos
120 x 57 x 25 cm

Ein zentrales Element der Installation bilden zwei nach oben geöffnete Köpfe, deren Blick nach innen gerichtet scheint. Sie verkörpern die Basis für die bildnerische Umsetzung des Prinzips der Selbstreflexion: Das Selbst vollzieht eine Doppelung seiner selbst und spreizt sich methodisch auf in betrachtendes Subjekt und betrachtetes Objekt. So öffnen sich Räume der Introspektion. Befindlichkeiten und Empfindungen finden sich und verdichten sich zu schaubaren Bildern, die sich als Lebensstationen entlang einer biografischen Leitschiene aufreihen. Durch die Transposition dieses allgemeinen Prinzips auf eine sehr konkrete persönliche Ebene führt die Installation den Betrachter in ein intimes Selbstportrait.


Brief an meine Mutter (2001)
Draht, S/W-Kopien
50 x 200 cm



Vor dem Hintergrund einer sich stufenförmig verflüchtigenden Körperlichkeit bleibt die zu einem Schriftstück verdichtete Mutter-Tochter-Beziehung. Diese ist zentral eingebettet und damit anvertraut an eine schützende und doch zugleich behutsam Transparenz und Einblick wahrende Hülle eines schwebenden Drahtgeflechts, das in seiner Eiförmigkeit als Metapher für Fruchtbarkeit steht. Tod und Leben, Geborene und Gebärende verschmelzen so zu einer Matrix sich wechselseitig bedingender Wertepaare.
Ursprung der Welt (2000)
Ton, Kupfer, Terrakotta, Draht
5-tlg,
4 x 40 x 40 cm,
1 x 20 x 40 cm
Das von Gustave Courbet im Jahre 1866 geschaffene Werk > L`Origine du Monde < (Der Ursprung der Welt) materialisiert sowohl die sinnliche, im humanen Bereich angesiedelte Liebe, als auch die kosmische Liebe in Form von Naturerscheinungen. Dieser Ansatz dient als Ausgangsbasis für die künstlerisch bildende Iteration des Themas unter Verwendung verschiedenster Materialien und Werkstoffe. Der spielerische Umgang mit Ton als Naturmaterial und den dazu kontrastierenden seriell produzierten Werkstoffen setzt das Thema Liebe in einen neuen Kontext.
 


Hinter Mauern (1998)
Installation im Kloster Irrsee
(Gruppenarbeit)
Paperclay


In der unter der Leitung von Prof. G.H. Klix (Australien) entstandenen Gemeinschafts- arbeit verbindet sich die heutige Präsenz der barocken Kloster- anlage Irsee mit deren Euthanasie- vergangenheit als ehemalige Heil- und Pflegeanstalt während der Nazi-Zeit. Mittels des aus Ton und Papierfasern bestehenden Materials Paperclay wurden Abdrücke der Klostermauern genommen, auf deren Rückseite die Schriftkopien von Briefen von Angehörigen der Euthanasie-Opfer aufgebracht wurden.